Zwerg-Riese-Aufstellung in VR

Im September letzten Jahres habe ich den Artikel über die 10 Vorteile von der Arbeit in virtueller Realität geschrieben. Viele der 10 Punkte sind nur vage Hinweise darauf, was in VR möglich ist. Dabei eröffnen die Möglichkeiten einer virtuellen Umgebung ganz neue Formen der Interaktion und bieten Raum für neue Interventionen in der Arbeit mit Klient*innen. In diesem Beitrag möchte ich zeigen, wie man in VR eine klassische Aufstellungsarbeit erweitern kann.

Wie in diesem Video gezeigt habe, ist es in VR möglich mit Gegenständen zu interagieren und diese für Aufstellungen zu nutzen. Die räumlichen Eindrücke einer solchen Aufstellung sind anderen Formen einer online Aufstellung deutlich überlegen. In VR kann wie in der echten Welt durch die Bewegung des Körpers eine neue Perspektive eingenommen werden. Eine noch viel weitergehende Form des Perspektivwechsels ist durch die Wahl des Avatars (die „Figur“ die man in der virtuellen Welt bewegt) möglich. Bewegt man sich in einem kleinen Avatar ändert sich auch die eingenommene Perspektive. Räume und Gegenstände erscheinen größer, man „schaut aus den Augen eines kleinen Kindes“.

Zur Verdeutlichung hier drei Screenshot derselben virtuellen Umgebung. Zu sehen ist jeweils dieselbe Couchecke, aufgenommen aus dem Blickwinkel eines winzigen bzw. eines durchschnittlich großen Avatars. Der Avatar aus dem dritten Bild ist so riesig, dass er die Decke durchbrochen hat. Durch das Glasdach ist noch die Sitzecke mit dem Spielbrett zu sehen.

die Zwerg-Riese-Aufstellung

Ziel der Aufstellung ist es zusätzlich zur eigentlichen Aufstellung einen weiteren Perspektivwechsel zu bekommen, indem der Wechsel auf die Metaebene. Das „Zurücktreten“ aus der Aufstellung verstärkt wird.

Stellen wir uns eine Beratungssituation vor in der das Familiengefüge innerhalb der Ursprungsfamilie aufgestellt werden soll. Man bittet die beratene Person einen Avatar zu wählen, der besonders klein ist und wählt für sich einen Avatar in entsprechender Größe. Dann betritt man einen virtuellen Raum in dem aufgestellt wird. Der Raum wirkt groß, die Figuren oder Gegenstände, die man zur Aufstellung nutzt sind ebenfalls verhältnismäßig groß. Man bewegt sich eher zwischen und mit den aufgestellten Gegenständen als über ihnen und hat aufgrund der wahrgenommen Größe eine „kindliche“ Perspektive auf diese.

Für die Reflektionsphase wählt man nun einen großen Avatar: „Sie haben diese Figuren gerade aus ihrer kindlichen Erinnerung aufgestellt. Nun sind sie ja aber erwachsen. Lassen Sie uns doch einmal sehen, was geschieht, wenn Sie aus einer anderen Perspektive darauf sehen, was Sie gerade aufgestellt haben. Sind sie bereit auf magische Weise über den Dingen zu stehen?“

Der Raum und die gerade aufgestellten Gegenstände werden nun ganz anders wahrgenommen. Der Raum wirkt kleiner, die Gegenstände der Aufstellung, welche groß und unhandlich wirkten, haben nun eine „normale“ Größe und können nun von oben herab aus einer anderen Perspektive gesehen werden: „Stimmen die Abstände noch? Wie fühlt es sich jetzt an? Wie sehen Sie die Aufstellung von diesem Abstand aus?“

Dieser Perspektivwechsel durch Größenänderung ist natürlich auch in anderen Interventionen einsetzbar und lädt zudem zu spielerischer Übertreibung ein. Wie sieht das ganze aus der Perspektive einer Gigantin aus? Wie weit kann man zurücktreten um das Problem überhaupt noch zu erkennen? Was bedeutet es „so weit über den Dingen zu stehen“?

Alles über die Beratungsarbeit in virtual reality gibt es hier.