Placebo wirkt

Vor kurzem habe ich diesen sehr interessanten Podcast gehört: Heilsame Erwartungen in der Medizin – Placebo wirkt

Mit einem Placebo wird medizinisch nichts verabreicht. Trotzdem ist schon lange bewiesen, dass Placebos wirksam sind. Warum das so ist zeigen neuere Forschungen. So helfen Zuwendung, die Zeit, die sich ein Experte nimmt und die Auseinandersetzung mit den Ängsten einer Person und tragen so zur Genese bei. Ich habe diesen Podcast mit viel Interesse gehört, und bin der Meinung, dass diese Mechanismen auch zu einer gelungenen Beratung beitragen. Je mehr wir über diese Mechanismen wissen, desto besser lassen sie sich in die systemische Praxis integrieren.

5 Wirkmechanismen von Placebos

Folgende 5 Punkte sind Zitate aus dem Podcast und zeigen wie erstaunlich gut Placebo wirken und welche Mechanismen ihrer Wirkung zugrunde liegen.

  1. Studien zeigen, dass der Anteil des Placeboeffekts bei anerkannten Medikamenten und Verfahren schon jetzt bei zehn bis sechzig Prozent liegt. Steigert ein Arzt die Placeboerwartungen gezielt, lässt sich dieser Effekt offenbar noch einmal erhöhen. Dabei müssen die Patienten wissen, dass Placebos helfen können. Denn das ist der entscheidende Wirkmechanismus. Der Arzt erzeugt die Erwartung, indem er positive Signale setzt. Das kann verbal geschehen, aber auch durch optimistische Mimik und Gestik. Wenn ein Arzt spürbar an sein Verfahren glaubt, kann allein das schon helfen. Umgekehrt droht ein so genannter „Nocebo“-Effekt. Ein Arzt, der einer Behandlung Schlechtes unterstellt, dämpft deren Wirkung oder löst  sogar Nebenwirkungen aus. Einfache Instruktionen, die eine positive Erwartung auslösen, reichen nur dann aus, wenn es um Vorgänge geht, die sich auf das Gehirn konzentrieren. Zum Beispiel bei Schmerzwahrnehmung oder Depression.
  2. “Wir haben […] zumindest deutliche Hinweise im Bereich der Antidepressiva, wo es aus Metaanalysen schon klare Hinweise gibt: Wenn sehr viel ärztliche Zuwendung dabei ist, dann wird das Placebo so gut wie das echte Medikament“
  3. Über Jahre hinweg sind Antidepressiva empfohlen und verschrieben worden. Das steigerte den Glauben, dass sie wohl nützlich sind. Offenbar hat sich so die Wirkung quasi von selbst verstärkt.
  4. Nocebo Effekt: Ein Ärzte-Team führte mit 120 Patienten vor ihrer OP Gespräche, um herauszukommen, was sie bedrückt. Heraus kam die Angst, nach der OP nicht wieder richtig arbeiten, reisen und genießen zu können. Die Psychologen versuchten, diese Ängste gezielt einzudämmen.  „Und wir konnten zeigen, dass die Menschen, die vorher diese Beratungsgespräche hatten, sechs Monate nach der OP nur halb so stark durch die Herzerkrankung beeinträchtigt waren wie die anderen. Also dass sie in ihrer Lebensführung viel freier waren, wieder mehr in Urlaub fahren konnten, Hobbys nachgehen konnten oder arbeiten gehen konnten. Wir haben auch nachgefragt, wie viel Stunden pro Tag sie sich arbeitsfähig fühlen – einsatzfähig sozusagen, auch für die berufliche Belastung. Und können auch da zeigen, dass ganz spezifisch diejenigen, die diese psychologische Vorbereitung hatten für die OP, dann besonders gut abschneiden und dass es denen ganz besonders gut geht, sechs Monate nach der OP.“
  5. “Offenbar können auch Patienten mit chronischen, auch langjährig unzureichend behandelten Syndromen noch von solchen Placebobehandlungen profitieren.

Konsequenzen für die beraterische Praxis und Coaching

Die Forschungen zu den Placebo lassen sich in vielerlei Hinsicht auf die systemische Praxis übertragen. Vieles ist fester Bestandteil systemischer Ausbildung bzw. sollte zum Handwerkzeug systemisch Beratender gehören. In meinen Augen ist die Forschung zu Placebo an sich schon eine Bestätigung für die Wirksamkeit von Beratung, da ja auch in der Beratung nichts Stoffliches verabreicht wird und trotzdem Änderungen auftreten. Zudem gibt die Forschung über Placebo den Beratenden Hinweise wie die Wirksamkeit der systemischen Praxis erhöht werden kann:

  1. Es wichtig nur mit Methoden und Übungen zu arbeiten, die einem selbst zusagen, die man für wirksam hält und vor allem auch deren Wirksamkeit man selbst, an sich in einer Übungsphase erlebt hat.
  2. Die innere Haltung des Beratenden ist sehr wichtig. Sie oder er sollte selbst zuversichtlich in die Arbeit zu gehen
  3. Es ist wichtig sich von den Klienten ein Feedback zu holen, ob etwas wirksam war bzw. was wirksam war und hängengeblieben ist. Schon alleine dadurch verstärkt sich die Wirksamkeit einer Intervention, da an diese Erfahrung angeschlossen wird.
  4. Es ist wichtig am Anfang der Beratung abzuklären was erhofft, und auch was befürchtet wird. So kann auf diese Ängste eingegangen und mit Ihnen gearbeitet werden. Dieses Eingehen auf und die Arbeit mit den Ängsten ist sehr wichtig.
  5. Die zunehmende Institutionalisierung und Anerkennung von systemischer Arbeit macht diese wirksamer. Es empfiehlt sich ggfs. auf wissenschaftliche Studien und die belegte Wirksamkeiten des systemischen Ansatzes hinzuweisen.
  6. Unter Umständen kann mit dem oder der Klientin selbst ein stofflicher Placebo entwickelt werden. „Fetische“ die die Klienten erinnern sollen z.B. „gut zu sich selbst zu sein“. Wichtig ist, dass dieses Vorgehen im Gespräch offen als Placebo benannt wird. Dies tut, wie geschildert, der Wirksamkeit keinen Abbruch, entbindet aber von dem Verdacht einen Hokus Pokus zu veranstalteten.