Putin und die Droge Macht

Es gibt zur Zeit wohl nur wenige Menschen, die so verhasst, beschimpft und verschmäht werden wie der russische Präsident Wladimir Putin. Und wohl niemand wurde in den letzten Wochen so sehr psychologisiert und pathologisiert.

Putin sei „schwer krank“ oder irrational. Und etliche Kommentator*innen sind sich auch nicht zu schade in die Mottenkiste Verhaltensbeschreibung zu greifen und werfen mit (absichtlich) diffamierenden Begriffen um sich: Putin sei „verrückt geworden“, er sei „irre“ oder wahlweise „geisteskrank“.

Daneben gibt es aber auch viele kluge und ruhigere Analysen, die aufzeigen, wie sich der russische Präsident im wahrsten Sinne des Wortes immer weiter isoliert.

Ich möchte mich hier allerdings weder eine weitere tiefgründigen politischen Anlayse liefern, noch ins Horn derjenigen stoßen, die an Putins Geisteszustand zweifeln. Vielmehr möchte ich auf einen in diesem Zusammenhang sehr passenden Podcast hinweisen:
„Droge Macht – Wenn Menschen nach oben kommen“ Diese Radio-Wissen Episode geht der Frage auf den Grund was die Macht mit uns macht und zeigt auf wie sie uns verändert.

Diejenigen die in einer Hierarchie „Macht über andere“ haben verändern sich nämlich durch diese Macht. So hat beispielsweise der Neurowissenschaftler und Psychiater Ian Robertson gezeigt, dass Macht „Stress und Hemmungen reduziert, die Stimmung hebt und sogar die Funktionsweise der Stirnlappen beeinflusst“. In geringen Dosen sei die Macht ein positiver Antreiber, beispielsweise indem sie uns selbstbewusster macht und die Angst reduziert. Sie funktioniert also indem sie, ähnlich wie Drogen, tief im Belohnungssystem der Menschen wirksam ist und die biochemischen Prozesse im Gehirn verändert.

Die Macht hat aber nicht nur stimulierende Wirkung. Gleichzeitig verlieren die Mächtigen beispielsweise an Empathiefähigkeit da die Funktionsfähigkeit der Spiegelneuronen gedämpft wird. Dies führt auch dazu, dass die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung gemindert wird.

So ist es möglich, dass regelrechte Teufelskreise entstehen. Die soziale Macht führt beim Individuum zu mehr Selbstbewusstsein und dem Wunsch nach noch mehr Macht, den selbstbewusst Auftretenden wird mehr zugetraut als Anderen und sie bekommen noch mehr Macht. Dies kann sich immer weiter, bis ins Groteske verstärken, zumal bei Mächtigen auch das Hormon Testosteron vermehrt produziert wird. Die Mächtigen werden geradezu süchtig nach noch mehr Macht und zugleich verlieren sie immer mehr das eigene Korrektiv, die Möglichkeit der Wahrnehmung, dass das was sie tun unmoralisch oder „schlecht“ sein könnte und ihre Inszenierung auf viele nur noch lächerlich wirkt.

Ich habe diese Podcastepisode als bereichernd empfunden und kann sie wirklich empfehlen. Mir ist aber wichtig anzumerken, dass die Macht die in diesem Podcast angesprochen wird nicht ohne Grund eine hierarchische Macht: ist die Macht über jemandem. Der Machtbegriff ist aber nicht so eindimensional, so kann Macht, beispielsweise im Sinne Hanna Arendts, als „das Zusammenwirken von freien Menschen im politischen Raum zugunsten des Gemeinwesens“ verstanden werden.

In diesem Sinne solle auch das Korrektiv der Macht nicht nur in der moralischen Standfestigkeit der Mächtigen liegen – in der im Podcast angesprochenen Demut und Integrität. Genau sowenig sollte das Korrektiv nur in der Familie oder dem Umfeld der Mächtigen beschränkt bleiben.

Vielmehr müssen wir Hierarchien gegenüber kritisch sein. Denn sie ermöglichen erst, dass sich ein Teufelskreis der Macht verselbständigt. Kollektive Entscheidungsprozesse, und eine Demokratisierung verstanden als „Form der Herrschaftskontrolle von »unten«, der gesellschaftlichen Mitbestimmung, Kooperation und – wo immer möglich – der freien Selbstbestimmung“ können die fürchterlichen Folgen des Machtstrebens verhindern. (Definition Demokratisierung nach Fritz Vilmar)

Wem diese Podcastempfehlung gefallen hat, möge doch auch mal auf der Podcast-Playlist vorbei schauen, oder sich die Strategien gegen rum-trumpen aneignen.