Rückbezügliche Mechanismen in der modernen Systemtheorie – Teil III Kybernetik (Heinz von Foerster)

Heinz von Foerster gab als sein Interessengebiet häufig Kybernetik an und schlug vor die Wissenschaft über die „Erforschung kreis-kausal geschlossener und rückgekoppelter Mechanismen in biologischen und sozialen Systemen“ ebenso zu benennen. Kybernetik zeigt uns, dass selbst einfachste rückgekoppelte Systeme nicht mehr eindeutig zu bestimmen sind. Wir also ganz häufig vor einer „black box“ stehen, von der wir prinzipiell nicht wissen können, wie sie auf etwas reagiert.
Kybernetik befasst sich mit dem Regeln, Rechnen und Ordnen im ganz allgemeinen Sinne. Sie erhielt ihren Namen von kybonos dem Steuermann eines Bootes, der beständig den Kurs korrigieren muss. Auch das Wort Governance kommt von kyberman bzw. gubernare (ein Schiff steuern).

Triviale Machinen
Um die prinzipielle Unberechenbarkeit von Systemen zu demonstrieren entwickelte HvF das Beispiel der trivialen und nicht trivialen Maschinen.
Von Foerster spricht von Maschinen, wenn er Entitäten beobachtet, die aufgrund einer Operation einen Input in einen Output Wert wandeln. Triviale Maschinen verbinden fehlerfrei und unveränderlich durch ihre Operationen gewisse Ursachen mit gewissen Wirkungen:
Op(x)->y oder Op(x)=y bzw. x->[]->y 1
zum Beispiel:
x A B C D
Y 1 2 3 4
Die Maschine würde in diesem Fall für die Eingabe A den Wert 1 ausgeben etc. Bei einer Maschine, wie dieser, mit jeweils vier Eingangs und Ausgangssituationen ergäbe das vier hoch vier also 256 mögliche triviale Maschinen (die dann z.B. für A den Wert 2 ausgeben würden und für B 4 etc.). Diese Maschinen sind synthetisch determiniert. Aufgrund ihrer direkten „Programmierung“ /Aufbau sind sie analytisch determinierbar und damit voraussagbar. So könnte man in einer endlichen Versuchsreihe (es gibt dem Beispiel nur 256 mögliche Maschinen) bestimmen, welches die Programmierung dieser Maschine ist. Ist die triviale Maschine analysiert ist sie voraussagbar, der Output ist zu bestimmen, ohne die Maschine operieren zu lassen. Das beutet man weiß genau was passiert und kann 100% vorhersagen treffen.

Nicht-triviale Maschinen
Nicht triviale Maschinen (NTM) liefern, im Gegensatz zu trivialen Maschinen, einen Outputwert, der neben dem Inputwert zusätzlich vom inneren Zustand der Maschine abhängig ist. Dieser wird durch die vorhergehende Operation bestimmt. Man könnte NTM wie folgt Visualisieren:
x->[z]->y2
Eine einfache NTM mit zwei inneren Zuständen I und II könnte man so darstellen:

Zustand I
Zustand II

Je nach innerem Zustand würde man in diesem Beispiel für den Inputwert A den Output 1 bzw. 4 bekommen. Welcher in dieser Maschine jeweils den inneren Zustand der Maschine auf I stellen würde.

Rückbezüglichkeit und ihre Folgen in nicht-trivialen Maschinen
In NTM haben wir es mit einem Fall von Rückbezüglichkeit zu tun. Das Operieren der Maschine verändert die Maschine (auch wenn sie nur zwischen zwei Zuständen schwankt). Die Folgen eines solchen Mechanismus sind, wie schon bei den Chaostheorien enorm. Diese beispielhafte Maschine mit nur 4 möglichen In- bzw. Outputwerten und nur zwei inneren Zuständen ist äußerst schwer zu berechnen, so gibt es 2 hoch 8192 bzw. 10 hoch 2466 Möglichkeiten eine solche Maschine zu konstruieren. Bei einem geschätzten Weltalter von 3 mal 10 hoch 23 Mikrosekunden wird einem bewusst wie schwer eine so einfach konstruierte, nicht triviale Maschine zu knacken wäre. Der deterministische Mechanismus bleibt praktisch unbeobachtbar. Das analytische Problem, die Frage also „was ist das für eine Maschine, wie genau funktioniert sie“ ist bei einer so einfach erscheinenden Maschine, mit jeweils nur vier In- und Outputwerten und zwei inneren Zuständen, nicht trivial.
Charakteristisch für NTM ist, in Abgrenzung zu den TM, eine analytische Unbestimmbarkeit und Unvorhersagbarkeit, welche sich durch die Konstruktion dieser Maschine ergibt. Sie ist vergangenheitsabhängig. – also abhängig von ihren vergangenen eigenen Zuständen. Von Foerster nannte diesen Mechanismus rückbezüglich. Er sah die ganze Welt als Nicht-triviale Maschine:
„Alle erhältlichen Maschinen sind nicht-trivial, selbst ein Rolls-Royce wird seine Kugellager abnützen oder gar mitten auf der Straße stehen bleiben, wenn der Treibstoff verbraucht ist.“ Da eine Operation, in diesem Falle das Rollen der Räder, den inneren Zustand der Maschine verändert (das Kugellager nutzt sich ab), kann man von einer rückbezüglichen und damit nicht trivialen Maschine sprechen. Als Konsequenz ergibt sich in diesem Fall, dass wir nie genau wissen, wann die Maschine nicht mehr „funktioniert“, bzw. besser ausgedrückt: nicht mehr so funktioniert, wie wir es von ihr erwarten.

Eigenwertbildung durch Rekursion
Ausgehend von Piagets und Poincaré s Arbeiten über die Kognition wendet von Foerster das Konzept der operationalen Schließung, also die Schließung der Ursache-Wirkung-Kette zu einem Kreis, auf seine Maschinen an. Der Output der Maschine wird wieder zu ihrem Input. Bei der rekursiven Schließung einer Operation zu einem Kreis kommt es nicht mehr auf In- und Outputwerte an. Der Startwert ist egal, da der Mechanismus einem für alle gleichen Eigenwert zustrebt. Eine mögliche rekurzsive Operation ist das beständige Wurzelziehen einer beliebigen positiven, reellen Zahl. Das Ergebnis ist eine scheinbar sinnlose Rekursion. Die Operation immer wieder auf sich selbst angewandt strebt einem Eigenwert, einem Eigenverhalten entgegen. Im Falle des Wurzelziehens ist das Ergebnis eine 1, egal ob wir von der Zahl 0.05 oder von 30.3948,849 ausgehen.

Von Foerster schließt, dass nicht der Anfangsgswert die Ursache für das endgültige Eigenverhalten ist, sondern der Mechanismus der rekursiven Operation. Damit sieht er Maturanas Theorie der Kognition bestätigt. Im Ursache-Wirkung-Schema ist nicht der Reiz für die Reaktion verantwortlich, sondern der operierende Organismus selbst.

Zusammenfassung
In dieser Artikelserie habe ich Mechanismen vorgestellt, in denen sich die Operationen auf die nächste Operationen auswirken. Rückkopplung, Selbstreferenz, Rekursivität und Selbstbezüglichkeit sind dabei nur verschiedene Ausdrücke für ganz ähnliche Mechanismen.
Gemeinsam ist ihnen, dass durch ihre Rückkopplung Unvorhersagbarkeit entsteht. Verhalten von Systemen ist nicht 100% vorhersagbar. Es läßt sich höchstens einen Rahmen bestimmen, in dem sich das System bewegt. So können wir bei einem autopoietischen System, z.B. einer Eiche, vorhersagen, dass sie ein Eichenbaum mit den charakteristischen Merkmalen wird (Form der Blätter, Festigkeit des Holz etc.) aber nicht wie genau der Baum wachsen wird. Die Wetterprognosen Lorenz und von Foersters nicht triviale Maschinen sind weitere Beispiele. Ein passender, verallgemeinernde Begriff für einen solchen Mechanismus ist vergangenheitsabhängig. Indem diese Forscher gezeigt haben wie wenig deterministisch Systeme sind haben sie eine wichtige Grundlage für den erkenntnistheoritischen Konstruktivismus gelegt.

1 durch eine Operation wird x zu y. Die Leerklammern stehen für den Mechanismus bzw. die Operation die x in y wandelt.

2 Der Wert x wird durch eine Operation zu y. Die Operation ist nicht für denselben Wert immer gleich, sondern hängt zudem von dem inneren Zustand z der Maschine ab. Dieser wird bestimmt durch die vorhergehende Operation. Der Output der Maschine verändert zugleich den inneren Zustand der Maschine.

Weitere Artikel aus dieser Reihe habe ich zum Thema Autopoiesis und Chaostheorie getippt.